Fachdidaktische Modelle
Malte Ring und Taiga Brahm
In Anlehnung an Jank & Meyer (2002) kann ein didaktisches Modell als ein „Theoriegebäude zur Analyse und Modellierung didaktischen Handelns in schulischen und nicht schulischen Handlungszusammenhängen“ (S. 35) bezeichnet werden. Didaktische Modelle ermöglichen somit die Gestaltung didaktischer Situationen und stellen Hilfsmittel für die Unterrichtsplanung dar (Wilbers, 2019). Sie können einerseits als Strukturmodell ausgestaltet sein und sich auf den Aufbau der Lehr-Lernsituation beziehen, anderseits ist ein Bezug auf die Phasen eines Lehr-Lernprozesses im Sinne eines Prozess- oder Ablaufmodells möglich (Euler & Hahn, 2014). Darüber hinaus gibt es auch Kombinationsmodelle, die Prozess- und Strukturmodelle verbinden (z.B. Wilbers, 2019).
Werden die Funktionen von didaktischen Modellen in den Blick genommen, lassen sich in Anlehnung an Euler & Hahn (2014) folgende vier Funktionen unterscheiden:
Ordnungsfunktion
Didaktische Modelle unterstützen bei der Beschreibung und Erklärung von didaktischen Strukturen und Prozessen und verdeutlichen dabei die Aspekte, die von besonderer Relevanz sind.
Planungs- und Steuerungsfunktion
Didaktische Modelle stellen eine Grundlage für die Planung und Durchführung von Lehr-Lernsituationen und -prozessen dar. Sie verdeutlichen dabei die Faktoren, die bei der Planung des didaktischen Handelns von besonderer Bedeutung sind.
Heuristische Funktion
Didaktische Modelle können dazu beitragen, dass beispielsweise im Rahmen der Unterrichtsplanung neue Handlungsalternativen und Erklärungen entdeckt werden.
Kritikfunktion
Didaktische Modelle unterstützen die Überprüfung von didaktischem Handeln. Sie zeigen Kriterien auf, die eine kritische Reflexion des eigenen Handelns ermöglichen.
Zu berücksichtigen ist, dass didaktische Modelle zwar zur Analyse und Gestaltung von didaktischem Handeln dienen sowie einen Überblick über die Komplexität von didaktischen Entscheidungen verschaffen können, es aber weiterer Theorien sowie Fertigkeiten bedarf, sodass die Modelle praktisch wirksam werden können. Hierzu zählen sogenannte didaktische Partialtheorien (Euler, 2003). Diese werden „als Aussagen über einzelne Zusammenhänge verstanden, die im Bezugsrahmen eines didaktischen Modells zunächst nur grob gekennzeichnet sind“ (Euler, 2003, S. 124). Ein Beispiel für eine Partialtheorie wäre z. B. die Theorie über den Medieneinsatz im Wirtschaftsunterricht, die Aussagen über die Arten und die Verwendungen von Medien macht. In Anlehnung an Euler (2003) kann der Zusammenhang zwischen didaktischen Modellen und Partialtheorien wie folgt dargestellt werden: „Während Modelle der Gesamtvermessung des didaktischen Feldes dienen, sozusagen den Charakter einer Landkarte besitzen, geben Partialtheorien detailliertere Informationen über einzelne Streckenabschnitte“ (Euler, 2003, S. 124).
Allgemeindidaktische und fachdidaktische Modelle
Didaktische Modelle lassen sich unter anderem in allgemeindidaktische und fachdidaktische Modelle unterteilen. Während allgemeindidaktische Modelle den Anspruch erheben, für alle Fächer und Schulstufen Gültigkeit zu besitzen, beziehen sich fachdidaktische Modelle auf spezifische Schulfächer (Wilbers, 2019). So systematisieren wirtschaftsdidaktische Modelle beispielsweise die komplexen Anforderungen des Wirtschaftsunterrichts (Böhner & Dolzanski, 2016). Bis heute viel zitierte allgemeindidaktische Modelle sind beispielsweise das Modell einer lerntheoretischen Didaktik nach Heimann et al. (1969) sowie das Modell einer bildungstheoretischen Didaktik nach Klafki (1969). Aufgrund der allgemeinen Gültigkeit sind die Elemente der allgemeindidaktischen Modelle auch für die Fachdidaktik Wirtschaft und die dazugehörigen Modelle zentral (Mathes, 2009). Sie stellen die Grundlage für die Entwicklung von fachdidaktischen und speziell wirtschaftsdidaktischen Modellen dar, indem die allgemeingültigen Modellelemente von der Wirtschaftsdidaktik auf die vorliegende Spezifik überprüft, selektiert und/oder neu- bzw. umformuliert werden (Böhner & Dolzanski, 2016).
Bekannte wirtschaftsdidaktische Modelle, in denen dieser Prozess mehr oder weniger offensichtlich im Modell erkennbar ist, sind beispielsweise das Modell einer Wirtschaftsdidaktik nach Euler & Hahn (2014) sowie das Nürnberger Modell nach Wilbers (2019). Letztgenanntes Modell wird im folgenden Absatz exemplarisch kurz skizziert. In der wirtschaftsdidaktischen Literatur lassen sich über die dargestellten Modelle hinaus aber noch eine Reihe von weiteren didaktischen Ansätzen unterscheiden (z.B. Achtenhagen, 1984; Dubs, 2014; Kaiser et al., 2012; Mathes, 2009; Paape et al., 2013; Reetz, 1984; Speth & Berner, 2018; Twardy, 1983). Auf Basis der verschiedenen Modelle haben wir ein Tübinger Modell entwickelt, das in diesem Lehrbuch zur Strukturierung angewandt wird.
Ein wesentlicher Einfluss war das Nürnberger Modell nach Wilbers (2019), das sowohl ein Struktur- als auch ein Prozessmodell darstellt. Es verbindet die Strukturelemente Kompetenzerwartungen, Methoden und Medien sowie Bedingungen mit folgenden didaktischen Prozessen: Makrodidaktische Planung, mikrodidaktische Planung, Umsetzung sowie Evaluation und Revidierung. Während die Kompetenzerwartungen auf die Intentionen des Unterrichts sowie die Themen und Inhalte abstellen, zielen die Methoden und Medien auf die Frage ab, wie unterrichtet werden soll. Hierbei ist sowohl das Handeln der Lehrperson als auch der Schülerinnen und Schüler von Bedeutung. Gleichzeitig sind Entscheidungen in Bezug auf Unterrichtsmethoden sowie Assessmentmethoden und die Medienwahl zu treffen. Unter dem Strukturmerkmal Bedingungen werden sowohl gesellschaftliche Bedingungen (Makrobedingungen), schulische Bedingungen (Mesobedingungen) als auch Bedingungen, die einzelne Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen aufweisen, subsumiert. Während Makrodidaktik die Planung von mehreren Unterrichtseinheiten (bis hin zu allen Einheiten eines ganzen Schuljahres) umfasst, bezieht sich die mikrodidaktische Planung auf die Planung von einer oder auch mehrerer Unterrichtsstunden. Die Umsetzung bezieht sich auf das eigentliche Unterrichten, das Evaluieren und Revidieren auf die Reflexion des Unterrichts unter Berücksichtigung von möglichen und notwendigen Änderungen. Das von Wilbers (2019) verfasste Buch „Wirtschaftsunterricht gestalten“, in dem das Nürnberger Modell dargestellt und beschrieben ist, kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: Wirtschaftsunterricht gestalten.
Literatur
Achtenhagen, F. (1984). Didaktik des Wirtschaftslehreunterrichts. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98925-3
Böhner, M., & Dolzanski, C. (2016). Fachdidaktik für Lehrende im Bereich Wirtschaft. Schlüssel für erfolgreichen Unterricht (1. Aufl.). Cornelsen.
Dubs, R. (2014). Unterrichtsplanung in der Praxis. Ein Handbuch für den Lernbereich Wirtschaft. Franz Steiner Verlag.
Euler, D. (2003). Theoretische Zugänge zur Wirtschaftsdidaktik. In A. Bredow (Hrsg.), Berufs- und Wirtschaftspädagogik von A - Z. Grundlagen, Kernfragen und Perspektiven (Bd. 4, S. 119-134). Schneider-Verlag Hohengehren.
Euler, D., & Hahn, A. (2014). Wirtschaftsdidaktik (3., aktualisierte Auflage). Haupt Verlag.
Heimann, P., Otto, G., & Schulz, W. (1969). Unterricht. Analyse und Planung (4. Aufl.). Schroedel.
Jank, W., & Meyer, H. (2002). Didaktische Modelle (5., völlig überarb. Aufl.). Cornelsen.
Kaiser, F.-J., Kaminski, H., & Brettschneider, V. (2012). Methodik des Ökonomieunterrichts: Grundlagen eines handlungsorientierten Lernkonzepts mit Beispielen (4., vollst. überarb. Aufl). Klinkhardt.
Klafki, W. (1969). Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung. In H. Roth, & A. Blumenthal (Hrsg.), Didaktische Analyse (10. Aufl., S. 5-34). Schroedel.
Mathes, C. (2009). Wirtschaft unterrichten. Methodik und Didaktik der Wirtschaftslehre (6. Aufl.). Verlag Europa-Lehrmittel.
Paape, B., Kiereta, I., & Maus, C. (2013). Wirtschaftsdidaktik: Eine Einführung unter besonderer Berücksichtigung von Handlungs- und Lernfeldorientierung. Shaker.
Reetz, L. (1984). Wirtschaftsdidaktik. Eine Einführung in Theorie und Praxis wirtschaftsberuflicher Curriculumentwicklung und Unterrichtsgestaltung. Klinkhardt.
Speth, H., & Berner, S. (2018). Theorie und Praxis des Wirtschaftslehreunterrichts (12. Aufl.). Merkur Verlag.
Twardy, M. (1983). Kompendium Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaften. VH Verlag.
Wilbers, K. (2019). Wirtschaftsunterricht gestalten (4. Aufl.). epubli.
zuletzt aktualisiert: 01.11.2024
Zitationshinweis
Die Inhalte dieser Homepage sind CC-BY lizenziert (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/). Bei Verwendung der Inhalte empfehlen wir folgende Zitation:
Ring, M., & Brahm, T. (2024). Fachdidaktische Modelle. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.). Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: https://wirtschaft-unterrichten.de/einfuehrung/wirtschaftsdidaktische-professionalitaet/fachdidaktische-modelle (zuletzt abgerufen am [Datum]).