Lernziele formulieren
Malte Ring
Lernziele sind „Verhaltensbeschreibungen“ (Steindorf, 2000, S. 108) und definieren das gewünschte Verhalten der Lernenden am Ende eines Lernprozesses. Lernziele beinhalten grundlegende Fähigkeiten, Wissen und Haltungen, welche die Schülerinnen und Schüler entwickeln sollen, und finden sich daher in Bildungsplänen wieder. So dienen sie den Lehrpersonen als Hinweise für das „methodisch didaktische Vorgehen und für Lernerfolgskontrollen“ (Kultusministerkonferenz, 2005, S. 18). Das Eingangsverhalten der Lernenden, also das Verhalten der Schülerinnen und Schüler vor dem Lernprozess, soll durch den Lernvorgang beeinflusst werden, um zu einem gewünschten Endverhalten zu gelangen. Das Lernziel ist schließlich erreicht, wenn das erwartete Endverhalten zu beobachten ist (Steindorf, 2000).
Lernziele erfüllen verschiedene Funktionen. Sie begrenzen und präzisieren Inhalte und unterstützen die Lehrpersonen dadurch bei der Unterrichtsplanung (Velica, 2010). Weiterhin beschreiben Lernziele Leistungsanforderungen und erleichtern die Lernerfolgskontrolle (Lernerfolgskontrollen). Zudem fördern sie das selbstgesteuerte Lernen und unterstützen die Lernenden beim Einordnen und Verständnis der Inhalte (Döring, 2010). Im Unterschied zu Kompetenzen, die zu erwerbende Fertigkeiten der Lernenden beschreiben, legen Lernziele Leistungsanforderungen und Inhalte fest. Daher beziehen sie sich in der Regel auf einen kürzeren Zeitraum. Zur Planung einer einzelnen Stunde werden somit Lernziele herangezogen, die längerfristig auf die Entwicklung bestimmter Kompetenzen abzielen sollen (Lenz, 2007).
Lernziele formulieren
Lernziele sollen operationalisierbar sein, was bedeutet, dass die Erreichung der Ziele messbar sein sollte. Entsprechend ist eine präzise Formulierung wichtig, die sich auf beobachtbares Verhalten und messbare Kenntnisse der Lernenden bezieht (Döring, 2010; Velica, 2010). Zudem sollten „Bedingungen genannt werden, unter denen das Verhalten des Schülers [bzw. der Schülerin] kontrolliert werden soll“ (Velica, 2010, S. 19). Das können zum Beispiel die Lernzeit oder erlaubte Hilfsmittel sein (Velica, 2010). Auch ein zuvor entworfener Bewertungsmaßstab trägt dazu bei, dass ein Lernziel operationalisierbar ist, denn so kann beurteilt werden, ob und inwieweit eine Schülerin oder ein Schüler das Lernziel erreicht hat (Velica, 2010).
Jedes Lernziel muss eine Inhalts- sowie eine Handlungskomponente enthalten. Die Inhaltskomponente beschreibt den neuen Stoff, der gelernt werden soll. Die Handlungskomponente besteht aus einem Verb, das meist mit dem Verb „sollen“ verknüpft wird und die zu erreichende beobachtbare Verhaltensweise darstellt (Velica, 2010). Die Formulierung beginnt mit dem Subjekt, das die Lernenden bezeichnet, definiert dann die zu erlernenden Inhalte, und endet mit dem handlungsorientierten Verb. Optional kann der Lernzeitraum, also die Zeit, die den Schülerinnen und Schülern zur Erreichung des Lernziels zur Verfügung steht, hinzugefügt werden. Oft erleichtert dies auch die Formulierung des Endzustands (Velica, 2010):
Ein ausformuliertes Beispiel für den Wirtschaftsunterricht lautet:
Die Schülerinnen und Schüler sollen am Ende der Lerneinheit Maßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung analysieren können.
Differenzierung von Lernzielen
Lernziele können anhand verschiedener Kriterien klassifiziert werden, darunter nach Inhalten, Abstraktion und Schwierigkeitslevel. Diese Klassifikationen werden im Folgenden weiter ausgeführt und mit Beispielen für den Wirtschaftsunterricht ergänzt.
Klassifikation nach Inhalt (Krathwohl et al., 1975):
Anhand der Bezeichnung „Kopf, Hand und Herz“, die meist auf Pestalozzi zurückgeführt wird, stellt sich die angestrebte „Ganzheitlichkeit“ der Bildung dar (Osterwalder, 2008, S. 53). Dabei werden Ziele in kognitive Lernziele, affektive Lernziele und psychomotorische Lernziele aufgeteilt:
- Kognitive Lernziele („Kopf“): Das Erinnern von Wissen, das Denken und Problemlösen sowie intellektuelle Fähigkeiten der Lernenden werden geschult.
- Affektive Lernziele („Herz“): Affektive Lernziele zielen darauf ab, Einstellungen, Interessen und Werte zu beeinflussen, verändern oder festigen.
- Psychomotorische Lernziele („Hand“): Bewegungen und ihre Steuerung stehen im Mittelpunkt.
Für den Wirtschaftsunterricht spielen insbesondere kognitive und affektive Lernziele eine Rolle. Am Beispiel des Themas Nachhaltigkeit aus dem Wirtschaftsunterricht, könnte man für diese Bereiche folgende inhaltlich klassifizierte Lernziele formulieren:
- Kognitives Lernziel: Die Lernenden sollen die Umweltverschmutzung durch externe Effekte erklären können.
- Affektives Lernziel: Die Schülerinnen und Schüler sollen sich aktiv an der Diskussion zur CO2 -Steuer beteiligen.
Klassifikation nach Abstraktion (Möller, 1995)
- Richtziele: Richtziele sind abstrakt gehalten und dienen als allgemeingültige Ausgangslage für genauere Zielbestimmungen.
- Grobziele: Grobziele sind konkreter formuliert als Richtziele und zum Beispiel in Bildungsplänen festgehalten.
- Feinziele: Feinziele sind ausdifferenzierte und detaillierte Lernziele, wie sie beispielsweise für eine Lerneinheit relevant sind.
Bezogen auf das Thema Nachhaltigkeit, können folgende Beispiele aus dem Wirtschaftsunterricht angeführt werden:
- Richtziel: Die Schülerinnen und Schüler sollen als mündige Wirtschaftsbürgerinnen und -bürger ihr wirtschaftliches Handeln hinterfragen und reflektieren (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 2016).
- Grobziel: Die Lernenden sollen „ökonomisches Handeln erläutern (ökonomisches Prinzip, Kaufverhalten) und dabei die Möglichkeit des nachhaltigen Konsums und Verzichts einordnen“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 2016, S. 13).
- Feinziel: Die Schülerinnen und Schüler sollen am Beispiel des Produkts Schokolade Möglichkeiten des nachhaltigen Konsums und Verzichts entwickeln.
Klassifikation nach Schwierigkeitsgrad
Bloom et al. (1956) unterscheiden sechs Lernzieltaxonomien, welche nach Komplexität geordnet sind und jeweils aufeinander aufbauen (Krathwohl et al., 1975). Jeder Stufe können Operatoren bzw. handlungsorientierte Verben zugeordnet werden, welche allerdings nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen sind.
Wissen: Die Lernenden können Informationen erinnern.
Operatoren: angeben, nennen, aufzählen, etc.
Verständnis: Die erinnerten Informationen können verarbeitet und in einen Kontext eingeordnet werden.
Operatoren: beschreiben, darstellen, erläutern, …
Anwendung: Die Lernenden können Prinzipien in passenden Situationen anwenden.
Operatoren: übertragen, einordnen, anwenden, …
Analyse: Die Schülerinnen und Schüler können Lerninhalte in ihre Bestandteile gliedern und untersuchen.
Operatoren: prüfen, entnehmen, herausfinden, …
Synthese: Teilaspekte eines Lerninhaltes können zu einem Ganzen zusammengesetzt und in einen größeren Kontext eingeordnet werden.
Operatoren: kombinieren, klassifizieren, überprüfen, …
Beurteilung: Die Lernenden können zu einem bestimmten Sachverhalt Urteile bezüglich bestimmter Kriterien fällen.
Operatoren: bewerten, beurteilen, vergleichen, …
In der Praxis finden sich viele Reduktionen von der ursprünglichen Taxonomie auf weniger Stufen. Beispielsweise nutzen die sozialwissenschaftlichen Fächer in Baden-Württemberg einen Operatorenkatalog, der Operatoren in drei Anforderungsbereiche gliedert. Dort wird zwischen Reproduktion (z.B. „nennen“), Reorganisation und Transfer (z.B. „begründen“) oder Reflexion und Beurteilung abzielen (z.B. „beurteilen“) (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 2016, S. 38–39) unterschieden. Unterrichtsstunden können dann auch mehrere Anforderungsbereiche abdecken, zum Beispiel wenn bestimmte Inhalte erst analysiert und im Anschluss beurteilt werden sollen.
Literatur
Bloom, B. S., Englehart, M. D., Furst, E. J., Hill, W. H., & Krathwohl, D. R. (1956). Taxonomy of educational objectives: The classification of educational goals. Handbook 1: Cognitive domain. Longman.
Döring, S. (2010). Formulierung von Lernzielen. Didaktische Handreichung. https://tu-dresden.de/codip/ressourcen/dateien/services/e_learning/didaktische-handreichung-formulierung-von-lernzielen-aus-dem-projekt-seco?lang=de
Krathwohl, D. R., Bloom, B. S., & Masia, B. B. (1975). Taxonomie von Lernzielen im affektiven Bereich (H. Dreesmann, Übers.). Beltz.
Kultusministerkonferenz. (2005). Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz. Erläuterungen zur Konzeption und Entwicklung. https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Bildungsstandards-Konzeption-Entwicklung.pdf
Lenz, T. (2007). Bildungsstandards, Bildungs-/Lehrpläne, Kompetenzen, Lernziele. Ein Wegweiser durch das Begriffsdickicht der aktuellen Bildungsdiskussion [Themenheft]. Geographie heute, 257.
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg. (2016). Bildungsplan 2016. Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung (WBS). http://www.bildungsplaene-bw.de/site/bildungsplan/get/documents/lsbw/export-pdf/depot-pdf/ALLG/BP2016BW_ALLG_GYM_WBS.pdf
Möller, C. (1995). Die curriculare Didaktik. In H. Gudjons, & R. Winkel (Hrsg.), Didaktische Theorien (8. Aufl., S. 63-78). Bergmann und Helbig.
Osterwalder, F. (2008). Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827). In B. Dollinger (Hrsg.), Klassiker der Pädagogik (2. Aufl., S. 53-74). VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94243-8
Steindorf, G. (2000). Grundbegriffe des Lehrens und Lernens (5. Aufl). Julius Klinkhardt.
Velica, I. (2010). Lernziele und deren Bedeutung im Unterricht. Neue Didaktik, 2, 10-24. https://doi.org/10.25656/01:5859
zuletzt aktualisiert: 01.11.2024
Zitationshinweis
Die Inhalte dieser Homepage sind CC-BY lizenziert (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/). Bei Verwendung der Inhalte empfehlen wir folgende Zitation:
Ring, M. (2024). Lernziele formulieren. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.), Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: https://wirtschaft-unterrichten.de/mikrodidaktik/unterrichtsplanung/lernziele-formulieren (zuletzt abgerufen am [Datum]).