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Tübinger Modell der Wirtschaftsdidaktik

Taiga Brahm und Malte Ring

Aufbauend auf den grundlegenden Modellen und den Basisdimensionen der Unterrichtsqualität zielt das Tübinger Modell der Wirtschaftsdidaktik darauf, didaktische Prinzipien für den Wirtschaftsunterricht, insbesondere an allgemeinbildenden Schulen, zu identifizieren und zu beschreiben. Dabei soll das Modell einerseits einen konzeptionellen Rahmen zur didaktischen Analyse von Unterricht bieten, andererseits eine Handlungsanleitung für die Planung von Wirtschaftsunterricht darstellen (Klusmeyer & Söll, 2021) ( Unterrichtsplanungsmodell). 

Über verschiedene Unterrichtskontexte hinweg hat sich in der deutschsprachigen Diskussion ein Modell etabliert, das mit Klassenführung, kognitiver Aktivierung und konstruktiver Unterstützung drei Basisdimensionen von gutem Unterricht umfasst (Klieme, 2006; Praetorius & Charalambous, 2018). Während die drei Basisdimensionen sehr bedeutsam für die Erforschung und Gestaltung von Unterricht sind, gibt es gleichzeitig Befunde, die eine fachspezifische Operationalisierung von Unterrichtsqualität nahelegen (Lindmeier & Heinze, 2020; Praetorius & Gräsel, 2021; Trautwein et al., 2021). Es gilt also die drei Basisdimensionen für den Wirtschaftsunterricht zu spezifizieren und durch weitere didaktische Prinzipien zu ergänzen.  

Das Tübinger Modell der Wirtschaftsdidaktik spezifiziert daher über die drei Basisdimensionen hinaus weitere, für den Wirtschaftsunterricht als zentral anzusehende didaktische Prinzipien. Die Auswahl dieser sechs Prinzipien erfolgte auf Basis bestehender Literatur sowie verschiedener vorhandener Modelle der Wirtschaftsdidaktik bzw. dort beschriebenen typischen fachdidaktischen Prinzipien (Böhner & Dolzanski, 2016; Euler & Hahn, 2014; Kaminski, 2017; Speth & Berner, 2018). Hier ist das Modell im Überblick: 

Erläuterung der sechs wirtschaftsdidaktischen Prinzipien

Orientierung an den Schülerinnen und Schülern

Ausgangspunkt der wirtschaftsdidaktischen Prinzipien ist die Orientierung an den Schülerinnen und Schülern. Diese umfasst die Auswahl von Unterrichtsgegenständen sowie Beispielen, z.B. zur Motivierung der Schülerinnen und Schüler wie auch zur Gestaltung der Übungsphasen, die einen Bezug zur Lebenssituation der Lernenden beinhalten (Fischer et al., 2019; Steinmann, 1997). Dabei können sowohl authentische als auch konstruierte Lebenssituationen genutzt werden (Prinzipien der Inhaltsauswahl).

Handlungsorientierung

Das zweite Prinzip umfasst die Handlungsorientierung. Diesem Prinzip liegt zugrunde, dass Wirtschaftsunterricht darauf zielt, die Handlungskompetenzen der Lernenden so zu fördern, dass sie diese in ihrem Alltag wirksam anwenden können (Euler & Hahn, 2014). In diesem Zusammenhang steht auch das Ziel der Befähigung der Schülerinnen und Schüler zur mündigen Bewältigung von ökonomisch geprägten Lebenssituationen (Bildungsstandards und Kompetenzmodelle). Der Begriff des Handelns umfasst dabei mehr als nur das bloße Wissen oder „ausführendes Tun“ (Euler & Hahn, 2014, S. 82). Das Endprodukt des Handelns verbindet Wissen bzw. Erkennen mit Können und Fertigkeiten sowie Werten und Einstellungen. Im Wirtschaftsunterricht kann dieses Prinzip durch die Integration von Handlungsprodukten umgesetzt werden, z.B. im Rahmen einer Schüler:innen-Firma oder in einer Projektarbeit. 

Diversität in Lehr-/Lernmethoden und -medien

Als weiteres Prinzip ist die Diversität in Lehr-/Lernmethoden und -medien zu nennen. Dabei handelt es sich nicht per se um ein wirtschaftsdidaktisches Prinzip, da diese Diversität in allen Unterrichtsfächern angestrebt wird. Im Vordergrund steht hier die möglichst für den ökonomischen Lerngegenstand passende Auswahl an Lehr-/Lernmethoden und -medien. Durch den hohen Aktualitätsbezug des Wirtschaftsunterrichts gilt es die ausgewählten Methoden und Medien regelmäßig zu überprüfen (Methodische Umsetzung)

Problemorientierung

Das vierte wirtschaftsdidaktische Prinzip ist die Problemorientierung. Darunter ist zu verstehen, dass der Wirtschaftsunterricht sich stets an einem authentischen oder einer der Realität nahe kommenden Problem- oder Fragestellung orientieren soll. Damit wird das Ziel verfolgt, dass die Lernenden motiviert sind, sich aktiv mit dem Problem auseinanderzusetzen und eine Lösung für dieses zu finden. Dadurch sollen Handlungskompetenzen entwickelt werden, was wiederum zur Bewältigung ökonomisch geprägter Lebenssituationen beiträgt (mehr Infos zu Problemorientierung: Problemorientierung

Wissenschaftsorientierung

Als fünftes Prinzip ist die Wissenschaftsorientierung zu nennen, die auch bei den Prinzipien zur Inhaltsauswahl eine zentrale Rolle spielt. Es geht dabei darum, den aktuellen Stand des wissenschaftlichen Diskurses im Unterricht abzubilden. Dabei gilt es, die Schülerinnen und Schüler nicht durch Details zu überlasten, sondern durch didaktische Reduktion entsprechende Inhalte auszuwählen.

Multiperspektivität und Interdisziplinarität

Als sechstes und letztes fachdidaktisches Prinzip können Multiperspektivität und Interdisziplinarität genannt werden. Dabei steht im Mittelpunkt, dass zentrale ökonomische Fragestellungen und Lebenssituationen aus verschiedenen Blickwinkeln und in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen bearbeitet werden können. Aufgabe von Wirtschaftsunterricht soll es sein, verschiedene Perspektiven aufzuzeigen und Perspektivwechsel von Lernenden anzuregen. Dazu gehört zum Beispiel ein Perspektivwechsel von einem kurzen auf einen langfristigen Zeithorizont oder auch von Mikro- auf Makroebene (Loerwald, 2017). Diese verschiedenen Perspektiven wie auch die unterschiedlichen ökonomischen Theorien und Modelle bilden den Bezugspunkt der Urteilsbildung, die ebenfalls einen wesentlichen Teil des Wirtschaftsunterrichts ausmacht (Reflexive Wirtschaftsdidaktik Moral und Ethik). 

Literatur

Böhner, M., & Dolzanski, C. (2016). Fachdidaktik für Lehrende im Bereich Wirtschaft. Schlüssel für erfolgreichen Unterricht (1. Aufl.). Cornelsen.

Euler, D., & Hahn, A. (2014). Wirtschaftsdidaktik (3., aktualisierte Auflage). Haupt Verlag.

Fischer, A., Oeftering, T., Hantke, H., & Oppermann, J. (2019). Lebensweltorientierung und lebensweltorientierte Lernaufgaben. Wieviel Lebensweltorientierung ist im Unterricht möglich? Fachdidaktische Zugänge (1. Aufl., Bd. 10). Schneider Verlag Hohengehren.

Kaminski, H. (2017). Fachdidaktik der ökonomischen Bildung. Ferdinand Schöningh.

Klieme, E. (2006). Empirische Unterrichtsforschung: Aktuelle Entwicklungen, theoretische Grundlagen und fachspezifische Befunde. Einführung in den Thementeil. Zeitschrift für Pädagogik, 52(6), 765-773. doi.org/10.25656/01:4487

Klusmeyer, J., & Söll, M. (Hrsg.). (2021). Unterrichtsplanung in der Wirtschaftsdidaktik: Aktuelle theorie-, empirie- und praxisbasierte Beiträge. Springer Fachmedien. 

zuletzt aktualisiert: 01.11.2024

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Zitationshinweis

Die Inhalte dieser Homepage sind CC-BY lizenziert (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/). Bei Verwendung der Inhalte empfehlen wir folgende Zitation:

Brahm, T. & Ring, M. (2024). Tübinger Modell. In T. Brahm, M. Ring, & K. Schild (Hrsg.), Wirtschaft unterrichten. Offenes Lehrbuch für Wirtschaftsdidaktik. Online verfügbar unter: https://wirtschaft-unterrichten.de/makrodidaktik/tuebinger-modell (zuletzt abgerufen am [Datum]).